Ich bin im letzten Monat des öfteren auf mein Februar-Posting angesprochen worden, und ob denn das jetzt heisst, dass ich für den nicht-denkenden, nur durch direkten Befehl lenkbaren "Beamten"-Mitarbeiter oder für seine sich ähnlich verhaltende Kollegin plädiere, denen um 17.00 Uhr der Bleistift aus der Hand fällt, und die für ihr Tun möglichst nicht verantwortlich gemacht werden möchten.
Ich habe daraus zwei Dinge gelernt: (a) wird mein Blog doch von deutlich mehr Leuten gelesen als gedacht, und (b) ist es, wenn man einen Denkanstoss geben möchte wichtig, die Richtung hinreichend zu bestimmen, in die gestossen wird :-)
Meinem Erachten nach bewegen wir uns bei der Betrachtung des Verhältnisses zwischen UnternehmerIn und MitarbeiterIn entlang zweier maßgeblicher Determinanten: Der Gestaltung von Umwelt (im Lewin'schen Sinn, nicht im Luhmann'schen), und der Wiedereinführung von Ungewissheit (durchaus im Luhmann'schen Sinn) in Unternehmen. Man könnte auch mit Dirk Baecker sagen:" (...) die Wiedereinführung des Unternehmens in die Organisation" (Baecker, Dirk, 1993: Die Form des Unternehmens, S. 14).
Ich denke ich kann auf allgemeinen Konsens zählen, wenn ich behaupte, dass sich Organisationen zu einem Großteil damit beschäftigen, das Verhalten von Menschen in einer bestimmten Art und Weise zu bestimmen, vorherzusagen, zu steuern, kurz: zu organisieren. In gewissem Sinne heisst dies auch, dass Individuen "gleichgeschaltet" werden müssen, gilt es doch, die gemeinsame Kraft an
einem Ziel auszurichten (in einem Ruderboot ist es auch zu wenig, wenn alle aus Leibeskräften rudern - sie sollten es im Takt und in die selbe Richtung tun). Hier kommt Kurt Lewin's uralte, aber noch immer gute Formel zur Verhaltensänderung ins Spiel:
V=f(P,U) - das Verhalten ist also eine Funktion von Person und Umwelt, wobei in unzähligen Studien nachgewiesen wurde, dass (a) die Umweltbedingungen den Löwenanteil in der Formel ausmachen, und (b) Investitionen in die Änderung von Umweltbedingungen einen Multiplikatoreffekt aufweisen, da diese Änderungen ja allen Personen in der selben Umwelt (zB. Abteilung) zugute kommen. Basierend auf diesem Wissen, dürfte also von einem halbwegs wirtschaftlich denkenden Menschen keine Verhaltensänderung oder -steuerung durch Maßnahmen zu bewirken versucht werden, die auf personeller Ebene wirken. Und, ist das so?
Leider nicht, denn hier stehen die Strukturen im Weg, die durch die Absorption von Unsicherheit (und im Zuge dessen, der Absorption von Entscheidungen) geschaffen wurden. Dirk Baecker beschreibt diesen Umstand so: "Noch nie konzentrierte sich so viel Entscheidungsmacht in einem so hohen Maße (...) in einer so unbekannten Einrichtung wie dem Management" (Baecker, 1993, op.cit. S. 13). Das Management ist aber durch die Bank mit dieser Fülle an zu treffenden Entscheidungen überfordert, denn einerseits ist in der Informations-, Wissen- und Dienstleistungsgesellschaft kein Produktionsregime mehr herzustellen, das mit einer strikten Ausdifferenzierung von Autorität und Arbeitsschritten zu einem vernünftigen Ergebnis führt, und andererseits ist die Möglichkeit der Steuerung dadurch eingeschränkt, dass bei Entscheidungen immer erst per saldo bestimmt werden kann, ob sie richtig oder falsch waren. Das führt zu dem im vorigen Posting angesprochenen Weiterreichen von Risiko (im Gefolge von Entscheidungen, Zieldefinitionen , etc.), welches, und ich sage es nochmal deutlich, im bestehenden Kontext weder für die Organisation sinnvoll ist, noch für den Arbeitnehmer, die Arbeitnehmerin, akzeptabel!
Bei der Veränderung des Kontextes der grundlegenden Arbeitsbeziehung bin ich bei der zweiten, oben angesprochenen, Determinate: Wiedereinführung von Ungewissheit.
Das ist jedoch garnicht einfach, denn es bedeutet für das Management, dass sie (Entscheidungs)Macht abgeben, ihren eigenen Wirkungsbereich beschneiden, und ihre Kommunikationsart von Grund auf ändern müssen. Bald ist nämlich klar, "daß die Umstellung von Absorption auf die Erzeugung von Ungewißheit nur um den Preis einer verstärkten Freigabe von Kommunikation und eines unvermeidlichen Auftretens von Paradoxien zu haben ist: Kommunikation tritt an die Stelle von Autorität, und die Aufforderung, Stabilität im Wandel zu suchen, an die Stelle des Versuchs, im Wandel stabil zu bleiben" (Baecker, 1993, op. cit. S. 15f; siehe dazu auch den Kommentar von Jan Alex P. auf mein Februarposting). Dies verändert die grundlegenden Regeln des Zusammenspiels von Hierarchie und Netzwerk in der Organisation, jene der von Dirk Baecker angesprochenen Paradoxien, der mE. die größte Aufmerksamkeit zu teil werden sollte, ändert sie das Verhalten der Organisation als Ganzes doch am grundlegendsten. Die Steuerung der Organisation ist nämlich nicht durch das Ersetzen von Hierarchie durch das Netzwerk zu bewerkstelligen, sondern nur durch die Einbettung der Hierarchie im (Kommunikations)Netzwerk, welches jedoch
per se heterarchisch ist, und sich somit
gleichzeitig unterstützend und subversiv der Hierarchie gegenüber verhält (siehe hierzu insb. Baecker, Dirk, 2007: Postheroisches Management 2.0, in: Revue für postheroisches Management, 1/07).
Die Arbeit an diesen beiden Determinanten des Verhältnisses zwischen UnternehmerIn und MitarbeiterIn bedingt also Paradoxien, benötigt geistige Flexibilität und ein hohes Maß an Ambiguitätstoleranz. Das ist unangenehm. Aber notwendig, eher jetzt als morgen. Die gute Nachricht ist, dass der erst in's Rollen gekommende Stein dann von UnternehmerInnen und MitarbeiterInnen gleichermassen in Bewegung gehalten werden kann, aber der Anfangswiderstand um ihn zum Rollen zu bringen, muß vom Management überwunden werden.
Ein Apell.