Dienstag, 24. August 2010

DER CONTESTANT

Nun habe ich schon durchaus das eine oder andere Monat nicht gepostet ;-) Der Hauptgrund liegt hauptsächlich nicht darin, dass ich zur Zeit weniger schreibe, sonder eher mehr:

Tatsächlich habe ich im letzten halben Jahr meine Gedanken zum Thema Risikoverteilung in der Gesellschaft, sowie ökonomische Überlagerung (respektive Strukturbildung an ökonomischen Strukturen) geordnet, erweitert und auch niedergeschrieben. Hierbei bin ich schlussendlich deutlich vom zentralen Thema Risiko abgewichen, und habe mich auf die gegenseitige Abhängigkeit vom Ökonomisierung und Neoliberalismus fokusiert. Ich vertrete hier die These, dass der Neoliberalismus auf Basis der Ökonomisierung operiert, also ohne selbige nicht überlebensfähig wäre. Hinter dieser These steht somit auch die Subthese, dass der Neoliberalismus beständig am Leben gehalten werden muss, er, mit Bröckling (Ulrich Bröckling 2007: Das unternehmerische Selbst. Soziologie einer Subjektivierungsform. Frankfurt/Main: Suhrkamp, S. 54), ein Effekt ständiger Mobilisierung ist. Diese erfolgt meinem Erachten nach maßgeblich über die Etablierung eines spezifischen Menschenbildes: dem Contestant.

Dem von der Ökonomisierung betroffenen vergesellschafteten Individuum, tritt diese nämlich meist in der Form des Wettbewerbs entgegen, weshalb ich dem Menschenbild im Neoliberalismus den Namen Contestant (engl. Wettbewerber/in, Wettkämpfer/in) gebe. Der ökonomische Wettbewerb findet unter den Bewertungskriterien des freien Marktes statt, die Etablierung des Wettbewerbs als Leitideologie trägt hierbei erheblich zur Systemstabilität bei.
Um die Auswirkungen auf Menschen schlüssig zeigen zu können, bediene ich mich dabei als theoretischem Fundament der Systemtheorie nach Niklas Luhmann. Anhand derer lässt sich sehr gut aufzeigen, wie die Konstituierung und Perpetuierung des Imperatives des Contestants erfolgt, und welche Auswirkungen das auf die Gesellschaft hat. Diesbezüglich lege ich noch gesondert Augenmerk auf die Massenmedien, allen voran das Fernsehen, da ich der Meinung bin (nicht zuletzt auf Basis der Theorie geschlossen selbstreferenzieller Systeme, deren Letztelement bei sozialen Systemen die Kommunikation ist), dass in hochgradig individualisierten Gesellschaften der Kommunikation zur Gestaltung von Gesellschaft ein besonderer Stellenwert eingeräumt werden muss.

Dies sind die Themen, aus denen ich in nächster Zeit hier einige Aspekte posten werde.

Mittwoch, 2. Dezember 2009

GESELLSCHAFT UND RISIKO II

Ich fragte in meinem letzten Beitrag als Abschlußstatement zur Ungleichheit durch Risikoverteilung "Business as usual?", und wurde von einem aufmerksamen Leser darauf hingewiesen, dass ich offenkundig auch schon "ökonomisch überlagert" bin - danke dafür Christian :-)

Wenn wir uns Giddens' Risikoprofil aber mal genauer ansehen, so ist dieses ebenfalls sehr ökonomielastig, und bestätigt mich mE. in meiner Grundthese der gesellschaftlichen Strukturbildung durch Überlagerung ökonomischer Rationalitäten: Zumindest drei, wenn nicht sogar vier von sechs Punkten des zuvor dargestellten Profils sind entweder durch die Anwendung ökonomischer Rationalität enstanden, werden durch diese verstärkt, oder sind überhaupt nur in diesem Kontext sinnvoll fassbar. Am deutlichsten kommt dies bei Risken aus der Vergesellschaftung der Natur und bei institutionalisierten Rsikioumwelten zum Vorschein: Gewiss, Vergesellschaftung der Natur, also das Nutzbarmachen von Natur für den Menschen, hat es in jeder Gesellschaft und in immer weiter zunehmenden Ausmaß gegeben. Ich behaupte jedoch, dass das übermässige Ausbeuten natürlicher Ressourcen, bzw. das Umgestalten der Natur zur Nutzung als Produktionsstätte oder Ressourcenquelle, in einem so hohen Maße, dass die ursprüngliche Funktion für das Ökosystem nicht mehr geleistet werden kann, nur unter ökonomischer Rationalität Sinn ergibt. Es lohnt sich hier ein kleiner Ausflug zu Harold Hotelling, einem Ökonomen des frühen 20. Jhdts., der mit seinem Effizienzmodel für den Bergbau durchaus einen Grundstein für die Umweltökonomie der 70er und 80er Jahre legte.

Seine Theorie ist im Grunde allgemein auf die Optimierung der Nutzung natürlicher Ressourcen anwendbar, und besagt im Kern, dass es bei enstprechend hohen Zinsen und Anlageformen dann vernünftig (rational) ist ein Ressource vollständig auszubeuten, wenn das betreffende Ökosystem einen Strom von Leistungen je Zeiteinheit erzeugt, dessen Wert kleiner als der Zinssatz in anderen Anlageformen ist (vlg. hierzu kritisch Costanza et al. 2001: Einführung in die Ökologische Ökonomik, Stuttgart). Wenn man zu diesen Betrachtungen die Finanziarisierung (das meint die zunehmende Zentrierung der Ökonomie auf die Finanzwelt) von postmodernen Gesellschaften als auf hohem Niveau wachsende Variable hinzufügt, erhält man ein Setting in dem die nachhaltige Nutzung ökologischer Ressourcen keine sinnvolle Entscheidung darstellt - dies würde, nach Hotellings Model, einen niedrigen Zinssatz von Anlageformen benötigen, in finanzzentrierten Ökonomien muss der Zinsssatz von (vor allem neuen, derivativen) Anlageformen allerdings stetig steigen, oder zumindest ein stetiges verhältnismäßig hohes Niveau aufweisen, um überhaupt attraktiv zu sein. Rein theoretisch ist mit der Wirtschaftskrise, und dem daraus resultierenden niedrigen Zinsniveau diese eine Voraussetzung "geschaffen" worden, in Krisenzeiten gelten allerdings andere Gesetzmäßigkeiten, die der nachhaltigen Ökonomie generell entgegenwirken (Stichwort: kurzfristige Kostenreduktion), sodass ein Anreiz zu nachhaltiger Nutzung ökologischer Ressourcen erst dann gegeben wäre, wenn das Zinsniveau im Aufschwung niedrig bleibt. Steigende Zinsen im Wirtschaftsaufschwung gehören allerdings zu jenen Mechanismen finanziarisierter Ökonomien, die den Aufschwung beschleunigen (und teilweise erst ermöglichen) - ein solches Szenario ist daher unwahrscheinlich, sodass ich nicht erwarte, dass sich Risiken aus der Vergsellschaftung der Natur verringern werden, sondern es ist eher mit einer Zunahme derselben zu rechnen.

Mein kleiner Ausflug zu Hotelling und daraus resultiernd zu finanziarisierten Ökonomien hat mich auch gleich zur zweiten oben angesprochenen Ausprägung von Giddens' Risikoprofil gebracht: Institutionalisierte Risikoumwelten. Das Finanzsystem postmoderner Ökonomien ist nämlich eine solche. Das Wesen dieser Umwelten ist, dass sie nicht nur teilweise extreme Risken produzieren, sondern, dass durch die Institutionalisierung diese fester Systembestandteil werden, sodass die Risken nicht vermieden werden können,ohne die Funktion des Teilsystems dadurch zu terminieren. Ein zweiter Aspekt der Institutionalisierung ist, dass diesen Risikoumwelten, mit Luhmann, "Systemvertrauen" entgegengebracht wird. Die Kontrolle von Systemvertrauen erfordert jedoch in zunehmendem Maße Fachwissen, sodass sie vom Einzelnen nicht mehr geleistet werden kann (vgl. Luhmann, Niklas 2009/1968: Vertrauen, Stuttgart; zur Kontrolle von Systemvertrauen im Speziellen S. 77). Versagen nun die internen Kontrollmechanismen, ist es möglich, dass ein sehr hohes Risiko schlagend wird, sich der Hergang im Nachhinein problemlos rekonstruieren lässt, und trotzdem niemand etwas dagegen tun konnte, weil auf das System und dessen interne Kontrollmechanismen vertraut werden musste. Kommt einem irgendwie bekannt vor, oder?

Die Globalisierung von Risken, sowie die zunehmende Zahl kontingenter Ereignisse, die man mE. auch gemeinsam als eine Ausprägung begreifen könnte, sind ebenfalls emergente Momente ökonomischer Rationalität, denn warum findet die Globalisierung per se statt?

Es stellt sich die Frage, ob die Chancen für die Gesellschaft, die Giddens, aber auch beispielsweise Ulrich Beck, durch diese postmodernen Risken, präziser durch eine Gesellschaft, die diese bewältigen oder zumindest verarbeiten kann, unter dem Gesichtspunkt ökonomischer Überlagerung realisiert werden können.

Montag, 12. Oktober 2009

GESELLSCHAFT UND RISIKO

Ich habe mein letztes Posting mit der Idee der Wiedereinführung von Risiko in die Gesellschaft geschlossen. Diese Idee des Risikos als zentrales Gesellschaftselement ist natürlich nicht unbedingt neu. Anthony Giddens beispielsweise ist der Auffassung, dass sich die postmoderne Gesellschaft von der modernen maßgeblich durch ihr verändertes Risikoprofil unterscheidet (sein Weg dorthin führt allerdings weniger über die Überlagerung ökonomischer Rationalitäten, als über die "Radikalisierung der Moderne" und der dadurch dramatischen Veränderung von Institutionen (deren eine allerdings der Kapitalismus ist), sowie der Globalisierung und Eigendynamik dieser Elemente - er gebraucht den Ausdruck des Juggernauts - hin zu einem neuen Ungleichheitsprofil, dessen Kernelement verändertes Risiko darstellt, und dem mit einer "radikalen Politik" beizukommen wäre). Die Elemente dieses Risikoprofils sind

(a) die Globalisierung von Risken
(b) die zunehmende Zahl kontingenter Ereignisse
(c) Risken aus der Vergesellschaftung von Natur
(d) Institutionalisierte Risikoumwelten
(e) Risikobewusstsein und Verbreitung desselben
(f) Bewusstsein der Grenzen des Expertenwissens.

Giddens meint weiter, dass eine ganz bestimmte Gesellschaft notwendig ist, um dieses Risikoprofil hervorzubringen, und zwar eine, "die aktiv danach strebt, mit ihrer Vergangenheit zu brechen" (Giddens, A. (2001): Entfesselte Welt. Wie die Globalisierung unser Leben verändert. Frankfurt aM., S.35), und hier denke ich, hat er unrecht, bzw. durch seinen eigenen Status und seine beratende Tätigkeit (er war einige Zeit Berater Tony Blairs in Sozialfragen - zum Umfang seines Erfolgs siehe das britische Sozial- und Gesundheitssystem) ein romatisiertes Bild von Gesellschaft, das vielleicht in der britischen oberen Mittelschicht zutreffen mag, vor Augen.
Die Überlagerung ökonomischer Rationalitäten in elementare und strukturbildende Elemente der Gesellschaft ist für viele Menschen bittere, schmerzliche Realität, ohne jede aktive Wahlmöglichkeit oder auch nur einem ansatzweisen Verständnis der Vorgänge. Diese Menschen wollen nicht mit ihrer Vergangenheit brechen, sie wollen möglichst das nächste Jahr überstehen, ohne dass sich ihre Lebenssituation maßgeblich verändert, weil sie mit Veränderung seit vielen Jahren ohnehin nur (ökonomische) Verschlechterung assoziieren. Bei ihnen weckt der allgegenwärtige Wettbewerb und der Entscheidungsdruck (auch der, welches Risiko einzugehen ist,und welches nicht) keineswegs die Lust an "dialogischer Demokratie", sondern resultiert in Abschottung, Innovationsfeindlichkeit und Nationalismus. Dennoch betrifft das von Giddens skizzierte Risikoprofil alle von uns. Jedoch ist nicht allen der selbe Reaktionsradius gegenüber diesen Risken möglich, sodass sich einmal mehr (alte) Ungleichheitsstrukturen reproduzieren. Business as usual?

Montag, 21. September 2009

BETRACHTUNGEN ZUM THEMA RISIKO III

Ich bin in den letzten Postings vor allem auf den betriebswirtschaftlichen Aspekt von Risko eingegangen, und wie dieser einerseits die Bildung und Abhängigkeiten von Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen zu den Unternehmern und Unternehmerinnen determiniert, und andererseits mit welcher sozialen Brutalität die Dialektik des Risikos als Ursache und/oder Wirkung in diesen Beziehungen zum Tragen kommen kann. Es mag paradox erscheinen, dass ich mich dann schlussendlich Dirk Baeckers Empfehlung anschließe, das Risiko (das Unternehmertum) wieder in die Organisation einzuführen, obwohl diese doch ursprünglich ausgezogen war, Risiko zu absorbieren. Manchen mag das zu weit gehen, mir ist es im Grunde noch nicht weit genug:

Die Wiedereinführung von Risiko in Unternehmen ist nur die logische Folgerung aus der Veränderung des Feldes in dem sie operieren - der Gesellschaft, genauer dem ökonomischen Subsystem. Meinem Erachten nach verändert sich die Bedeutung von Risiko gerade von einem Bestandteil zu einer (Vor)Bedingung von Handeln. Einer von zwei Gründen, denen ich dies maßgeblich zuschreibe ist das Eindringen ökonomischer Realitäten in strukturelle Gesetzmäßigkeiten. Man könnte mit Talcott Parsons sagen, dass durch die verstärkte Interpenetration des Subsystems Ökonomie in die umliegenden Subsysteme des Sozialen Systems (Politik, Kultur, Normen) dieses zu einem unverhältnismäßig hohem Maße Bestandteile der Ökonomie enthält. Dieses ökonomisch überlagerte Soziale System interpenetriert nun das strukturerhaltende System und wirkt somit auf Organismus und Persönlichkeit in ungewohnt hohem Maße ein (zum besseren Verständnis siehe das AGIL Schema Talcott Parsons). Ohne jetzt auf die Gründe dieser Überlagerung näher einzugehen, werfen wir doch kurz einen Blick auf die Wirklichkeit des ökonomischen Systems in (post)modernen Gesellschaften.
Die Determinanten hier sind Gewinn, Konkurrenz, Marktlogik. Jedem dieser Elemente immanent ist Risiko: Je höher das Risiko, desto mehr Gewinn, je besser die Routinen zur Vermeidung oder Externalisierung von Risiko, desto konkurrenzfähiger (hier geht es ja um den Vorsprung zu den anderen), je konkurrenzfähiger, desto höher der Marktanteil, den Rest besorgt die Marktlogik (und arme Betriebs- und Volkswirte auf der ganzen Welt lernen, dass das gut so ist ...).

Ich bin also der Meinung, dass wir es mit der Wiedereinführung von Risiko in die Gesellschaft zu tun haben (zu deren wichtigen Aufgaben und Entstehungsgründen die Absorbtion von Risiko - und somit Reduktion von Komplexität - von Anbeginn der einfachsten Gesellschaftsformen zählte). Nun ist es interpenetrierenden Systemen eigen, dass übermässige Betonungen einzelner Elemente selbstverstärkend sind (die Wirkung auf angrenzende - vor allem mit Parsons übergeordnete - Systeme wird von diesen ja wieder an alle umliegenden Systeme weitergegeben, somit auch auf das Subsystem, das den Ursprung der Überlagerung bildet). Es scheint schwierig, dem mit altbekannten Routinen entgegenwirken zu können.

Freitag, 10. April 2009

BETRACHTUNGEN ZUM THEMA RISIKO II

Ich bin im letzten Monat des öfteren auf mein Februar-Posting angesprochen worden, und ob denn das jetzt heisst, dass ich für den nicht-denkenden, nur durch direkten Befehl lenkbaren "Beamten"-Mitarbeiter oder für seine sich ähnlich verhaltende Kollegin plädiere, denen um 17.00 Uhr der Bleistift aus der Hand fällt, und die für ihr Tun möglichst nicht verantwortlich gemacht werden möchten.

Ich habe daraus zwei Dinge gelernt: (a) wird mein Blog doch von deutlich mehr Leuten gelesen als gedacht, und (b) ist es, wenn man einen Denkanstoss geben möchte wichtig, die Richtung hinreichend zu bestimmen, in die gestossen wird :-)

Meinem Erachten nach bewegen wir uns bei der Betrachtung des Verhältnisses zwischen UnternehmerIn und MitarbeiterIn entlang zweier maßgeblicher Determinanten: Der Gestaltung von Umwelt (im Lewin'schen Sinn, nicht im Luhmann'schen), und der Wiedereinführung von Ungewissheit (durchaus im Luhmann'schen Sinn) in Unternehmen. Man könnte auch mit Dirk Baecker sagen:" (...) die Wiedereinführung des Unternehmens in die Organisation" (Baecker, Dirk, 1993: Die Form des Unternehmens, S. 14).

Ich denke ich kann auf allgemeinen Konsens zählen, wenn ich behaupte, dass sich Organisationen zu einem Großteil damit beschäftigen, das Verhalten von Menschen in einer bestimmten Art und Weise zu bestimmen, vorherzusagen, zu steuern, kurz: zu organisieren. In gewissem Sinne heisst dies auch, dass Individuen "gleichgeschaltet" werden müssen, gilt es doch, die gemeinsame Kraft an einem Ziel auszurichten (in einem Ruderboot ist es auch zu wenig, wenn alle aus Leibeskräften rudern - sie sollten es im Takt und in die selbe Richtung tun). Hier kommt Kurt Lewin's uralte, aber noch immer gute Formel zur Verhaltensänderung ins Spiel:
V=f(P,U) - das Verhalten ist also eine Funktion von Person und Umwelt, wobei in unzähligen Studien nachgewiesen wurde, dass (a) die Umweltbedingungen den Löwenanteil in der Formel ausmachen, und (b) Investitionen in die Änderung von Umweltbedingungen einen Multiplikatoreffekt aufweisen, da diese Änderungen ja allen Personen in der selben Umwelt (zB. Abteilung) zugute kommen. Basierend auf diesem Wissen, dürfte also von einem halbwegs wirtschaftlich denkenden Menschen keine Verhaltensänderung oder -steuerung durch Maßnahmen zu bewirken versucht werden, die auf personeller Ebene wirken. Und, ist das so?

Leider nicht, denn hier stehen die Strukturen im Weg, die durch die Absorption von Unsicherheit (und im Zuge dessen, der Absorption von Entscheidungen) geschaffen wurden. Dirk Baecker beschreibt diesen Umstand so: "Noch nie konzentrierte sich so viel Entscheidungsmacht in einem so hohen Maße (...) in einer so unbekannten Einrichtung wie dem Management" (Baecker, 1993, op.cit. S. 13). Das Management ist aber durch die Bank mit dieser Fülle an zu treffenden Entscheidungen überfordert, denn einerseits ist in der Informations-, Wissen- und Dienstleistungsgesellschaft kein Produktionsregime mehr herzustellen, das mit einer strikten Ausdifferenzierung von Autorität und Arbeitsschritten zu einem vernünftigen Ergebnis führt, und andererseits ist die Möglichkeit der Steuerung dadurch eingeschränkt, dass bei Entscheidungen immer erst per saldo bestimmt werden kann, ob sie richtig oder falsch waren. Das führt zu dem im vorigen Posting angesprochenen Weiterreichen von Risiko (im Gefolge von Entscheidungen, Zieldefinitionen , etc.), welches, und ich sage es nochmal deutlich, im bestehenden Kontext weder für die Organisation sinnvoll ist, noch für den Arbeitnehmer, die Arbeitnehmerin, akzeptabel!

Bei der Veränderung des Kontextes der grundlegenden Arbeitsbeziehung bin ich bei der zweiten, oben angesprochenen, Determinate: Wiedereinführung von Ungewissheit.

Das ist jedoch garnicht einfach, denn es bedeutet für das Management, dass sie (Entscheidungs)Macht abgeben, ihren eigenen Wirkungsbereich beschneiden, und ihre Kommunikationsart von Grund auf ändern müssen. Bald ist nämlich klar, "daß die Umstellung von Absorption auf die Erzeugung von Ungewißheit nur um den Preis einer verstärkten Freigabe von Kommunikation und eines unvermeidlichen Auftretens von Paradoxien zu haben ist: Kommunikation tritt an die Stelle von Autorität, und die Aufforderung, Stabilität im Wandel zu suchen, an die Stelle des Versuchs, im Wandel stabil zu bleiben" (Baecker, 1993, op. cit. S. 15f; siehe dazu auch den Kommentar von Jan Alex P. auf mein Februarposting). Dies verändert die grundlegenden Regeln des Zusammenspiels von Hierarchie und Netzwerk in der Organisation, jene der von Dirk Baecker angesprochenen Paradoxien, der mE. die größte Aufmerksamkeit zu teil werden sollte, ändert sie das Verhalten der Organisation als Ganzes doch am grundlegendsten. Die Steuerung der Organisation ist nämlich nicht durch das Ersetzen von Hierarchie durch das Netzwerk zu bewerkstelligen, sondern nur durch die Einbettung der Hierarchie im (Kommunikations)Netzwerk, welches jedoch per se heterarchisch ist, und sich somit gleichzeitig unterstützend und subversiv der Hierarchie gegenüber verhält (siehe hierzu insb. Baecker, Dirk, 2007: Postheroisches Management 2.0, in: Revue für postheroisches Management, 1/07).

Die Arbeit an diesen beiden Determinanten des Verhältnisses zwischen UnternehmerIn und MitarbeiterIn bedingt also Paradoxien, benötigt geistige Flexibilität und ein hohes Maß an Ambiguitätstoleranz. Das ist unangenehm. Aber notwendig, eher jetzt als morgen. Die gute Nachricht ist, dass der erst in's Rollen gekommende Stein dann von UnternehmerInnen und MitarbeiterInnen gleichermassen in Bewegung gehalten werden kann, aber der Anfangswiderstand um ihn zum Rollen zu bringen, muß vom Management überwunden werden. Ein Apell.